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Carlos Spottorno: The Pigs

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Es war eines der aufregendsten, kritischsten und bissig-ironischsten Fotobücher des Jahres 2013 – und das, obwohl es eigentlich gar kein richtiges Buch, sondern eher ein Magazin war. Oder, um ganz genau zu sein: Es ist ein Fotobuch, das aussieht wie das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ – nur, dass es „The Pigs“ heißt. Aber was haben Schweine mit Wirtschaft zu tun?
Eine ganze Menge, wenn man weiß, dass Pigs ein Apronym aus der Wirtschaftssprache ist und aus den Anfangsbuchstaben von Portugal, Italien, Griechenland und Spanien zusammengesetzt ist. Herablassender und menschenverachtender kann man seine volkswirtschaftlichen Ansichten kaum auf den Punkt bringen – und das Kopfkino kann beginnen.



Der Fotograf Carlos Spottorno, geboren in Budapest und aufgewachsen in Rom, Paris und Madrid, zeigt ausschließlich auf Doppelseiten Bilder, die er in den entsprechenden Ländern aufgenommen hat – mal subtil, mal sehr deutlich spielt er mit den Klischees und den Wahrheiten vor Ort, zeigt uns massenhaft Bauruinen, antike Denkmäler und gefakte Burgen für Touristen, die alltägliche Armut, den Umgang mit der jahrtausendealten Geschichte und Kultur in den Ländern und die Abkehr von eben jener. Das Cover ziert beispielsweise ein Foto einer weitgehend zerfallenen, antiken Tempelanlage, vor der ein Touristenpaar steht: Für folkloristische Ausflüge sind diese wirtschaftlich hinterherhinkenden Länder gerade noch gut genug, aber mehr ist von diesen Hinterwäldlern nicht zu erwarten.



Spottorno, selbst als Fotojournalist tätig, weiß, welche Bilder die Zeitungsredaktionen wollen, wenn sie Klischees und Krisen visuell darstellen wollen. Für „The Pigs“ hat er die Artikel und die Stimmung der Texte aus Finanzzeitschriften visualisiert. Es ist wie ein verdrehter Reiseführer: Wird in ihnen versucht, alles Unattraktive und Negative zu vermeiden, wird in „The Pigs“ nur gezeigt, was diesen Ländern unangenehm und peinlich ist. Alles Positive und Schöne, was natürlich weiterhin fortbesteht, für Volkswirte aber uninteressant ist, wird ausgeblendet. Und damit auch der Respekt vor der Geschichte und den Errungenschaften dieser für das heutige Europa so wichtigen Länder. Gleichzeitig muss man sich auch die Frage stellen, was aus Portugal, Italien, Griechenland und Spanien geworden ist. Sie haben die Welt beherrscht, haben uns Demokratie und Kultur gebracht – und werden nun, am Boden liegend, mit Füßen getreten.

Als zynischen Abschluss seines Fotobuchs hat Spottorno zudem auf der Magazin-Rückseite eine Anzeige der (fiktiven) WTF Bank platziert. Die wirbt mit dem Slogan „You don’t need money. All you need is credit“ und einem roten Ferrari in einer Tiefgarage. So viel kritische und bitterböse Ironie habe ich in einem Fotobuch selten gesehen – einfach großartig!

Gleichzeitig ist die Anzeige der WTF Bank (für die, die es nicht wissen: WTF ist das Akronym für „What The Fuck“) eine Art Cameo-Auftritt: Zwei Jahre später hat Spottorno ihr ein eigenes Buch mit dem Titel „Wealth Management“ gewidmet und zeigt darin die Mechanismen von Privatbanken und Finanzdienstleistern auf, die es den Wohlhabenden und Reichen ermöglichen, noch wohlhabender und noch reicher zu werden. Auch hier hat Spottorno wieder die Sprache untersucht und hat den zahlreichen Euphemismen erneut seine eigene visuelle Sprache entgegengesetzt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Carlos Spottorno: „The Pigs“, signiert, 112 Seiten, Editorial RM, ISBN 9788415118626

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