Der Kölner Künstler Lutz Fritsch ist bekannt für seine ortspezifischen Skulpturen wie „Standortmitte“ an den Verteilerkreisen von Köln und Bonn, „Rheinorange“ an der Rhein-Ruhr-Mündung Duisburg sowie der „Bibliothek im Eis“, die auf dem antarktischen Ekstrom-Schelfeis liegt und fester Bestandteil der Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist. Der Bildhauer, Zeichner und Fotograf kann darüber hinaus auf zahlreiche Publikationen zurückblicken: Künstlerbücher, Fotobücher, Kataloge, … Lutz Fritsch ist also genau der richtige Ansprechpartner für die Reihe „Drei Fragen an“.
1. Deine Bücher beinhalten Fotografien, dokumentieren deine Skulpturen im öffentlichen Raum oder zeigen Skizzen und Entwürfe. Denkst du beim Fotografieren oder deiner bildhauerischen Arbeit schon an eine Präsentation im Buchformat?
Nein. Meine Fotografien und Skulpturen sind unabhängige Werke. Und ein Buch ist ein Buch. Seite für Seite, Raum für Raum, öffnet es sich. In diese Abfolge hinein komponiere ich ausgewählte Fotografien und Texte. So entsteht ein eigenständiges, skulpturales Gebilde.
2. Was macht deiner Meinung nach ein gutes Fotobuch bzw. ein gutes Künstlerbuch aus?
Ein Künstlerbuch kann ja entweder ein gedrucktes Buch mit einer Auflage sein oder auch ein Unikat. Bei einem gedruckten Buch müssen Inhalt und Form stimmen, neugierig machen, spannend sein, überraschen.
Ich selbst habe vor allem viele Unikat-Künstlerbücher gemacht, auf Butterbrotpapier, auf Zigarettenblättchen, große Bücher oder kleine Bücher, mit einer Seite oder vielen, mit durchscheinendem Papier oder kartonartigen Seiten – jedes ist eine kleine Expedition. Jedes hat sein individuelles Zusammenspiel von Format, Papier, Stift, Kreide oder Pinsel. Inhalt und Erscheinung werden eins, wenn die Forschungsreise von Seite zu Seite erfolgreich verlaufen ist!
3. Welches Foto- oder Künstlerbuch sollte deiner Meinung dringend in einer Bibliothek wie der „Bibliothek im Eis“ im Regal stehen?
In den Regalen der „Bibliothek im Eis“ in der Antarktis stehen keine Bücher, die ich ausgewählt habe. Das Konzept dieser besonderen Bibliothek weicht von dem herkömmlicher Bibliotheken grundlegend ab: Ich schreibe persönlich Künstler und Wissenschaftler an mit der Bitte, ein Buch zu stiften, von dem sie glauben, dass die 9 Überwinterer/Wissenschaftler es unbedingt gelesen haben sollten. Die Bücher werden vom Stifter mit einer Widmung versehen, warum er gerade dieses Buch ausgewählt hat.
In der Weite der Antarktis und ihrem gleichförmigen Umfeld ist beinahe jedes Foto-Künstler Buch geeignet, denn der Verlust von Zivilisation setzt allen dort zu. Von daher ist jeder Ausblick in vertraute Welten gerade am Ende der Welt eine besondere Wohltat!
Antarktis 70°39’S.08°15’W
Bibliothek im Eis, Neumayer-Station, Antarktis 2005
20-Fuss-Container,
Lackierung Seitenwände: Maigrün, Smaragdgrün, Gelbgrün, Laubgrün
Dach und Boden: Verkehrsrot
seit 2009: 70°40,8’S/08°16,2’W
4. Aus gegebenen Anlass noch eine zusätzliche Frage: Einige deiner Künstlerbücher sind derzeit in deiner Ausstellung „Cosmos“ im Van der Heydt Museum in Wuppertal zu sehen. Verstehst du diese als gleichwertige Arbeiten neben deinen Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien und wie werden diese in das Ausstellungskonzept eingebunden?
Ja, sicher sind die Unikat-Künstlerbücher gleichwertige Arbeiten. In der Ausstellung „Cosmos“ wird ein kleiner Teil in Tischvitrinen gezeigt: kleine Bücher, größere Formate – Welten tun sich auf. Großformatige Zeichnungen an den Wänden treten in einen Dialog zu kleinen Büchern in den Vitrinen.
Danke für das Gespräch!
Das Interview führte Cornelia Kratz
Bücher von Lutz Fritsch bei artbooksonline.eu:
Cornelia Kratz (*1982) hat Germanistik, Kunstgeschichte und Pädagogik in Köln und Padua studiert und 2015 ihre Dissertation über künstlerische Aneignungsstrategien literarischer Werke W.G. Sebalds abgeschlossen. Aktuell arbeitet sie in der Kölner Galerie Christian Lethert im Bereich Presse und Ausstellungkoordination.