Drei Fragen an...

Das Fotobuch-Quartett

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Was macht ein gutes Fotobuch aus? Seit 2014 redet sich das Fotobuch-Quartett an einzelnen Beispielen die Köpfe heiß. Mit verschiedenen Gästen wird diskutiert und geblättert, genau hingeschaut und Stellung bezogen. Am 19. Februar ist es wieder soweit – vorab haben wir Damian Zimmermann (Photoszene) um einen Einblick ins Quartett gebeten.

Das Fotobuch-Quartett im Museum für Angewandte Kunst in in Köln während des Photoszenefestivals 2014, Foto Nadine Preiß

Das Fotobuch-Quartett im Museum für Angewandte Kunst in in Köln während des Photoszenefestivals 2014, Foto Nadine Preiß

Lieber Damian, Du hast 2014 das Fotobuch-Quartett mitgegründet. Kannst Du einmal schildern, wie es dazu kam und wer mitmacht? Welches Bedürfnis stand hinter dem Wunsch, öffentlich über Fotobücher zu diskutieren?

Die Idee brannte schon länger in mir, weil ich als Kritiker und Fotograf das Gefühl habe, dass viel zu wenig über Kunst im Allgemeinen und über Fotografie im Speziellen diskutiert und gestritten wird. Hin und wieder liest man vielleicht eine Einzelkritik, aber es findet viel zu selten ein Austausch statt. Ein Austausch, an dem man selbst beteiligt ist, oder ein Austausch von anderen, dem man folgen und sich eine eigene Meinung bilden kann. Das Literarische Quartett für Fotobücher quasi. Weil ich das Fotobuch-Quartett vor allem als Kölner Veranstaltung gesehen habe, habe ich auch in Köln nach Mitstreitern gesucht – was kein Problem ist, die Fotografieszene ist hier ja riesig. Markus Schaden als „Mr. Photobook“ und Wolfgang Zurborn, den ich als Fotograf, Lehrer und Diskussionspartner sehr schätze, waren sofort dabei. Frank Dürrach und Oliver Rausch von der Fotoakademie-Koeln kamen dann dazu als sie mir erzählten, dass sie ebenfalls schon an ein ähnliches Format gedacht hatten. Dann hatten wir auf einmal das Problem, dass wir schon zu fünft waren, was für die Bezeichnung Quartett etwas irreführend ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir immer vier Bücher besprechen – dann kommt das mit dem Quartett wieder hin :-). Außerdem ist es sinnvoll Gäste wie in der Vergangenheit Claudia Dichter, Alexa Becker und Katja Stuke dabei zu haben – erstens, weil neue Sichtweisen dazu kommen, zweitens, weil wir eine reine Männergruppe sind. Also hat bei den letzten drei Veranstaltungen immer mindestens einer von uns ausgesetzt. Beim nächsten Mal sind wir aber erstmals seit unserem Auftritt während des Photoszene-Festivals 2014 wieder eine reine Männer-Runde.

Erstes Fotobuch Quartett im Atelier Colonia 2014, Foto Uwe Müller

Erstes Fotobuch Quartett im Atelier Colonia 2014, Foto Uwe Müller

Wie wählt ihr die Bücher aus, über die ihr redet?

Die Auswahl der Bücher ist an sich schon interessant, da dachte ich mir beim letzten Mal, dass es eigentlich lustig wäre, schon da Publikum dabei zu haben, so kontrovers kann es dabei zugehen. In der Regel treffen wir uns sechs bis acht Wochen vorher und alle bringen ein bis drei möglichst aktuelle Bücher mit, über die man sprechen möchte. Man muss das Buch nicht unheimlich gut finden – aber es sollte das Potential für Diskussionen haben. Das ist gar nicht so leicht, denn speziell zu seriellen Arbeiten kann man oft gar nicht so viel sagen, das erschöpft sich manchmal schon nach fünf Minuten. Aber es gibt auch Ausnahmen wie „Purity“ von David Magnusson, das war eine sehr leidenschaftliche Diskussion – sowohl zu dem Thema als auch zu den Fotos selbst.

Dann achten wir darauf, dass die Mischung stimmt, also z.B. nicht vier Bücher ausgewählt werden, die rein dokumentarisch sind oder die nur Porträts zeigen. Gleichzeitig sollte die Auswahl in sich stimmig sein. Und letztlich soll die Diskussion ja auch einen Unterhaltungswert für die Zuschauer haben. Grundsätzlich haben wir gemerkt: Je leidenschaftlicher die Diskussion geführt wird, desto begeisterter ist das Publikum. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass die Diskussion zum Selbstzweck wird. Das wäre nicht authentisch und das würde das Publikum auch merken. Und es würde uns auch keinen Spaß machen. Denn der Spaß und der Austausch stehen absolut im Vordergrund, wir zahlen uns ja keine Honorare aus oder so.

Gibt es für Euch eine Definition, wann etwas ein Fotobuch und wann es ein Buch mit Fotos ist? Oder ist das nicht so relevant?

Die kurze Antwort lautet: Es ist nicht so relevant. Die lange Antwort ist komplizierter. Natürlich kann man unterscheiden, ob ein Buch die Monografie eines Künstlers ist oder bloß ein buntes Sammelsurium von Postkarten. Aber letztlich können auch die verdammt gut sein. Für die nächste Veranstaltung hatten wir auch das Buch „Greetings from Auschwitz“ von Paweł Szypulski in der Auswahl. Ich mag es sehr gerne, aber hier haben wir wieder das Problem des Seriellen: Was wollen wir über ein Buch mit gefundenen Postkarten aus Auschwitz 20 Minuten lang kontrovers diskutieren? Wir haben uns dann dagegen entschieden, weil es sich einfach zu schnell erschöpft. Das gleiche gilt für jegliche Art von Überblickspublikationen und Kataloge.

Was hast Du bisher aus den Diskussionen mitgenommen?

Erstens, dass das Interesse an einem Diskurs zum Thema Fotobuch noch größer ist als ich gedacht habe. Die Leute sind in der Regel begeistert und verzeihen uns, wenn manches ein bisschen improvisiert ist. Und zweitens, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können. Ich bin der einzige von uns, der auch außerhalb des Quartetts Kritiken verfasst und regelmäßig seine Meinung schriftlich äußert. Das heißt aber keinesfalls, dass mir die Arbeit in der Runde leichter fällt. Ich denke, dass wir alle vorsichtig mit zu viel Kritik, aber auch mit zu viel Lob sind. Aber wenn jemand von uns ein Buch liebt oder hasst, dann stehen wir auch dazu. Was nicht heißt, dass man taub für die Argumente der anderen ist. Letztlich ist dieser Austausch für mich sehr wichtig, weil ich konzentriert die Meinungen und Gedanken der anderen mitbekomme und meine eigene Position in Frage stellen muss.

Michael Horbach Stiftung 2015 Foto Frauke Stärk

Wolfgang Zurborn und Claudia Dichter, Foto Frauke Stärk

Oben: Das Fotobuch-Quartett in der Michael Horbach Stiftung, 2015; unten: Wolfgang Zurborn und Claudia Dichter, Fotos Frauke Stärk

Was ist Dir persönlich bei einem Fotobuch wichtig? Hast Du festgestellt, dass sich Deine Meinung oft von denen der anderen Quartett-Mitglieder unterscheidet oder würdest Du sagen, dass es grundlegende Aspekte gibt, die alle an einem Fotobuch relevant – oder überflüssig – finden?

Oh, da gibt es große Unterschiede! Für Wolfgang und Markus steht das Fotobuch als solches ganz klar im Mittelpunkt während Oliver und Frank schon mal stärker auf das einzelne Foto schauen und sich fragen: Ist das überhaupt gute Fotografie? Das interessiert Markus aber relativ wenig. Sowohl er und Wolfgang denken sehr stark vom Editing her, beide machen oder betreuen ja selbst ständig Fotobuchprojekte. Ich positioniere mich irgendwo dazwischen. Bei Büchern, die mit Found Footage arbeiten wie beispielsweise „Margret – Chronik einer Affäre“ oder auch „Epilogue“, für das Laia Abril eigene Fotos mit alten Familienfotos mischt, kann man das sehr gut beobachten. Oliver meckert da schon mal über die belanglosen Fotos von Laia Abril, Markus über das katastrophale Editing bei „Margret“. Aber wenn mich ein Buch packt, weil die Geschichte stark ist und mich emotional oder intellektuell berührt, dann sehe ich über so etwas hinweg. Und manchmal geraten wir auch richtig aneinander deswegen. Das Publikum findet das dann toll, wie ich gehört habe. Ich bin dann aber eher etwas irritiert. Aber so wird es den anderen wohl auch mit mir gehen.

Frank Dürrach und Damian Zimmermann im Gespräch, Foto Frauke Stärk

Nicht immer einer Meinung: Frank Dürrach und Damian Zimmermann im Gespräch, Foto Frauke Stärk


Was ist Deiner Meinung nach die größte Herausforderung für ein gutes Fotobuch?

Sich gegen die unglaubliche Konkurrenz zu behaupten. Es gibt ja heute viel mehr Fotobücher als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig sind die Auflagen gesunken. Wie soll also ein Buch, von dem vielleicht nur 500 Exemplare existieren, überhaupt gesehen und entdeckt werden? Davon abgesehen langweilen mich persönlich die immer gleichen Bildrezepte, nach denen eine Serie nach der anderen abfotografiert wird. Da fehlen mir die Idee und auch die Leidenschaft vieler Fotografen. Aber heute will jeder ein Buch machen, egal ob er was zu erzählen hat oder nicht. Dabei muss man ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen: Muss aus wirklich jedem Projekt auch ein Buch entstehen?

Diskutiert das Publikum eigentlich mit?

Nein, das würde den Rahmen sprengen – zeitlich wie technisch. Die meisten Veranstaltungen werden ja von FotoTV aufgezeichnet, das würde es dann zusätzlich kompliziert machen. Außerdem dauert ein Quartett ohnehin schon eineinhalb Stunden und die Zeit brauchen wir auch. Wenn das Publikum dann noch mitdiskutieren würde … ich stelle mir das schwierig vor. Die Diskussionen mit dem Publikum finden aber häufig im Anschluss an die Veranstaltung statt. Da merkt man dann, wie groß das Interesse an dem Thema ist. Das ist toll.

Wenn man eine Veranstaltung verpasst, kann man die Diskussionen nachträglich ansehen?

Teilweise ja. Unser Partner FotoTV hat bislang zwei Fotobuch-Quartette aufgezeichnet und auf ihre Seite gestellt. Das ist allerdings nur für Abonnenten. Einige Filme gibt es aber auch kostenlos in voller Länge auf der Vimeo-Seite der Photoszene zu sehen. vimeo.com/photoszene

Welche Fotobücher habt ihr für den 19. Februar ausgesucht? Gibt es einen Aspekt, der Dir dabei besonders unter den Nägeln brennt?

Den gibt es tatsächlich. Wir werden unter anderem „Vater, Sohn und der Krieg“ von Tom Licht dabei haben. Ein Buch, für das ich mich eingesetzt habe. Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht langweilig und dass Tom Licht mit seinen Bildern über die gemeinsame Reise mit seinem Vater scheitert. Das würde ich anderen Fotografen um die Ohren hauen, aber in diesem Fall ist es sehr sinnvoll, denn nicht die Fotos scheitern, sondern die Reise ist gescheitert. Und dann braucht es eben auch solche Fotos. Es geht in dem Buch sehr viel um Erinnerung und verpasste Chancen im Leben, gleichzeitig greift es ein weitverbreitetes Phänomen in der zeitgenössischen Fotografie auf, über das ich mich schon länger ärger. Meiner Meinung nach machen es sich viele Fotografen zu leicht, indem sie beispielsweise Orte fotografieren und daneben schreiben, was dort mal passiert ist oder wer dort wohnt. Da sind wir wieder bei den Bildrezepten. Es mag Ausnahmen geben, aber in den meisten Fällen sind solche Parkplätze, Hauseingänge oder Büros vollkommen austauschbar. Mir erscheint eine solche fotografische Strategie ziemlich billig. Tom Lichts Buch zeigt für mich genau diese Bedeutungslosigkeit dieser Orte. Und dass man an ihnen nichts finden kann. Nur mit dem Unterschied, dass es genau darum geht in seinem Buch.

Die anderen Bücher, die wir am 19. Februar besprechen werden, sind „Private“ von Mona Kuhn, „Miserachs Barcelona“ von Xavier Miserachs und „Asylum of the Birds“ von Roger Ballen.

Die Fotobuch Auswahl für den 19 Februar 2016 steht fest

Die Fotobuch Auswahl für den 19 Februar 2016 steht fest

Wir danken Damian für das Gespräch!
Und wer beim nächsten Mal live dabei sein will, für den gilt:


Das nächste Fotobuchquartett+

Freitag, 19. Februar 2016
Uhrzeit:
19 Uhr Einlass, 19.30 Uhr Beginn
Wo: Forum für Fotografie, Schönhauser Str. 8, 50968 Köln
Eintritt: 5 Euro, Begrenzte Anzahl an Sitzplätzen, keine Reservierung möglich!

Das Fotobuch-Quartett+ diskutiert wieder!
Dieses Mal zwar ohne weiblichen Gast, dafür aber wieder in der Originalbesetzung sprechen und streiten Markus Schaden, Wolfgang Zurborn, Oliver Rausch, Frank Dürrach und Damian Zimmermann über vier Fotobücher und sind dabei erstmals zu Gast im Forum für Fotografie.

Das Fotobuch-Quartett+ ist eine Veranstaltung der Internationalen Photoszene Köln.
http://www.photoszene.de/fotoquartett/
https://www.facebook.com/events/568456246645794/
https://vimeo.com/photoszene

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