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Caravaggio –
Meisterwerke im Detail

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Radikal und ungehörig, aufreizend und schockierend – Caravaggios Gemälde waren schon zu seinen Lebzeiten berühmt, berüchtigt und begehrt. Seinen eindringlichen Szenen kann man sich nicht entziehen, so nahe und greifbar erscheint das Bildgeschehen, so aufwühlend das Dargestellte. „Seine Malerei besitzt eine zeitlose Anziehungskraft, denn sie geht den großen, ewigen Leidenschaften des Menschen auf den Grund: Angst und Zärtlichkeit, Opfer und Sünde, Schrecken und Schönheit, Liebe und Tod“ (S. 8), schreibt der Autor Stefano Zuffi und führt aus: „Für ihn sind wir nicht außenstehende, passive Betrachtende, sondern Augenzeugen, Teilnehmende an einer Handlung, die sich vor unseren Augen abspielt und uns berührt.“ (S. 9)


Prostituierte, Tagelöhner, Leichen waren seine Modelle, und immer wieder erscheint auch Caravaggio selbst in seinen Gemälden: Als kränklicher Bacchus, als Augenzeuge der Gefangennahme Christi und des Martyriums der heiligen Ursula und schließlich als enthaupteter Goliath.

Mit Enthauptungen und dem Motiv des abgeschlagenen Kopfes beschäftigte er sich geradezu manisch. Dabei geht er bis ans Äußerste, wählt etwa den schauderhaften Moment, in dem sich Judiths Säbel bereits tief in den Hals des Holofernes eingegraben hat und der Feldherr panisch und sich vor Schmerzen windend nach Atem ringt. In fast unerträglich grausamer Weise inszeniert er auch die misslungene Enthauptung des Johannes des Täufers, dessen Kopf noch nicht vollständig vom Körper getrennt wurde. Während der Henker nach einem Messer greift, um seine Aufgabe zu vollenden, bannt Caravaggio den Heiligen in einem endlosen Todeskampf.


Die Relevanz dieses Sujets steigerte sich vermutlich noch angesichts des Schicksals, das dem Maler selbst drohte. Nachdem er im Jahre 1606 im Streit einen Mann tötete, floh er aus Rom und wurde in Abwesenheit zum Tod durch Enthauptung verurteilt. Die letzten vier Jahre seines Lebens verbrachte er in Neapel, auf Malta und Sizilien. Auf Malta wird er inhaftiert und bricht aus dem Gefängnis aus, in Neapel wird er bei einer Schlägerei verletzt.

Als gewalttätigen Kriminellen, reuelosen Sünder und verdorbenen Lüstling beschrieben ihn denn schon seine frühen Biografen, die zwischen der Bewunderung seiner Malerei und der Geringschätzung seines Charakters schwankten. Sogleich war die Legende des düsteren, unmoralischen und leidenschaftlichen Künstlers geboren.

Monumental, wuchtig und überwältigend sind seine Bildkompositionen – anders als Hieronymus Boschs kleinteilige Gemälde und Jan Vermeers detailliert ausgearbeitete Interieurs. „Daher stellt die Beschäftigung mit den Details in den Gemälden eines großen italienischen Meisters wie Caravaggio eine ungewöhnliche, jedoch faszinierende Herausforderung dar, die zu überraschenden Ergebnissen führt.“ (S. 7) Der Kunsthistoriker Stefano Zuffi erarbeitet neun Themen, die im Werk des Malers offenbar werden: Neben seiner Faszination für Enthauptungen und die in seinen Gemälden versteckten Selbstporträts hebt der Autor etwa Caravaggios Meisterschaft im Stillleben, seine Vorliebe für Schwerter und Dolche und die wiederkehrenden Gesichter seiner Modelle hervor.


In ebendiesen thematischen Zusammenhängen betrachtet Zuffi die einzigartigen Bilddetails und die Geschichten, die sie erzählen. So löste die üppige Brust und der weite Ausschnitt der Madonna dei Palafrenieri einen Skandal aus, als nicht minder empörend wurden die schmutzigen Füße des Pilgers in dem Gemälde der Madonna di Loreto empfunden. Geradezu verstörend erscheint der tief in Jesu Seitenwunde eingedrungene Finger des ungläubigen Thomas, eindrucksvoll der in Schwingungen versetzte Wein in dem Glas des Bacchus und einfallsreich der gefährlich kippende Hocker des Matthäus, der so platziert ist, dass der Heilige quasi aus dem Bild herauszufallen droht. „Der lombardische Maler war ein gewissenhafter, sogar pedantischer Künstler, der jeden Aspekt einer Komposition genau studierte und sie geradezu manisch vorbereitete.“ (S. 9) Sein Atelier war ähnlich einer Theaterbühne organisiert, „mit begehbaren Podien in verschiedenen Höhen, abgedunkelten Wänden und der Möglichkeit, Intensität und Einfallswinkel des Lichtes zu variieren“. (S. 141)



Anhand seitengroßer Bilddetails aus Meisterwerken wie Judith und Holofernes, Amor als Sieger, Medusa, David mit dem Haupt des Goliath und Narziss nimmt der Autor uns mit auf eine Erkundungstour durch die imposante Bilderwelt des Caravaggio: „Die Betrachtung der Details ermöglicht es, (…) sozusagen fast physisch in die Werkstatt des Künstlers zurückzukehren und ihm aus der Nähe beim Malen zuzusehen, um auf diese Weise neue Aspekte seines Stils und seiner Sujetwahl zu entdecken.“ (S. 7)

Caravaggio ist der dritte Künstler aus der Reihe „Meisterwerke im Detail“. Zuvor erschienen bereits die Bände zu Johannes Vermeer und Hieronymus Bosch. Für Herbst 2018 ist „Bruegel – Meisterwerke im Detail“ geplant.

Caravaggio – Meisterwerke im Detail. Stefano Zuffi. Verlag Bernd Detsch 2017. Deutsch. 288 Seiten, 165 Abb. (davon 165 farbig). 24 x 32,5 cm. 2135 g. Leinen mit Schutzumschlag. 9783940602060

Zum Buchautor:
Stefano Zuffi ist Kunsthistoriker und hat sich auf die Malerei der Renaissance und des Barocks spezialisiert. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen befasst er sich mit Dürer, Michelangelo, Rembrandt, Vermeer, Tizian und Caravaggio.

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